Das, was als umweltfreundlich verkauft wird, soll zukünftig auch nachweisbar umweltfreundlich sein und Verbrauchern eine glaubwürdige Grundlage für ihre Kaufentscheidung bieten. Klingt eigentlich gut. Aber was genau bedeutet das und welche Herausforderungen ergeben sich daraus – insbesondere für die Bio-Branche und die Nachhaltigkeitskommunikation?
1. Warum der Umgang mit Green Claims kompliziert wird
Als Green Claims werden „grüne“ Werbeaussagen im Umwelt- und Nachhaltigkeitskontext bezeichnet wie beispielsweise „CO2-neutral“, „klimaneutral“ oder „öko“. Laut EU Kommission gibt es in der EU 230 Nachhaltigkeitssiegel und 100 Öko-Energie-Siegel mit sehr unterschiedlichen Transparenzstufen. Das macht es Verbrauchern schwer zu erkennen, welche Claims nur einen Öko-Anschein erwecken wollen und hinter welchen tatsächlich ökologische Maßnahmen stehen.
Das möchte die EU ändern: Im März 2023 veröffentlichte sie einen Vorschlag für eine neue EU-Richtlinie, die Green Claims Directive, über umweltbezogene Werbe- und Marketingaussagen sowie Umweltsiegel mit dem Ziel, Überprüfungs-, Nachweis- und Sanktionsstandards für diesen Bereich festzulegen. Umweltbezogene Aussagen sollen also künftig mit wissenschaftlichen Fakten belegbar sein. Zudem müssen Green Claims kostenpflichtig von dafür zugelassenen Prüfstellen zertifiziert werden, um sie nutzen zu dürfen.
Eine vorläufige politische Einigung zwischen dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament mit Verbesserungen gegenüber dem Vorschlag vom 23. März 2023 wurde 19. September 2023 bekannt gegeben.
2. Was ist das Ziel der neuen Richtlinie?
Als Teil eines umfassenden EU-Projekts, zu dem auch der Europäische Green Deal gehört, ist die Richtlinie darauf ausgerichtet, die Entwicklung einer umweltfreundlicheren Wirtschaft zu fördern und Verbraucher zu stärken. Viele möchten beispielsweise nachhaltigere Kaufentscheidungen treffen und brauchen dafür Sicherheit über die Glaubwürdigkeit „grüner“ Aussagen.
3. Für diese Unternehmen sollen die Vorschriften gelten
Die neue Richtlinie betrifft alle Unternehmen in der EU, die Produkte oder Dienstleistungen als umweltfreundlich oder nachhaltig bewerben. Diese Regelung gilt für verschiedene Branchen, von Lebensmittel- und Getränkeherstellern über die Textil- und Modeindustrie bis hin zu Energieversorgern und Mobilitätsdienstleistern. Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von weniger als zwei Millionen Euro sind davon ausgenommen.
4. Wie täuscht Greenwashing die Verbraucher?
Greenwashing oder auch „Grünfärberei“ ist eine Marketingpraxis, bei der Unternehmen fälschlicherweise den Eindruck erwecken, umweltfreundlich zu sein ohne tatsächlich nachhaltige Maßnahmen zu ergreifen. Es dient dazu, Verbraucher in ihren Kaufentscheidungen zu täuschen und das Image des Unternehmens aufzupolieren. Hier ein paar Beispiele gängiger Praktiken:
5. Anforderungen an die Werbung für nachhaltige Produkte
Zukünftig soll also der ökologische Nutzen eines Produkts oder einer Dienstleistung eindeutig und nachweisbar sein. Gerade Aussagen wie „klimaneutral“ erfordern dabei umfangreiche Datenerhebungen. Hierbei müssen die Informationen auf unabhängigen, wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren und gleichzeitig klar verständlich und präzise formuliert werden. Die Angaben dürfen weder falsch noch täuschend sein. Überdies müssen nach dem jetzigen Stand des Entwurfes alle „green claims“ ein Zulassungsverfahren durchlaufen bevor sie verwendet werden. Bei Verstößen sind hohe Geldstrafen vorgesehen.
6. Auch das Packaging-Design ist betroffen
Wie bereits erwähnt dürfen realitätsferne Bilder nicht mehr genutzt werden. In der Richtlinie heißt es dazu: „Bildsprache und Gesamtpräsentation des Produkts, einschließlich des Layouts, der Wahl der Farben, Bilder, Abbildungen, Töne, Symbole oder Etiketten, die in der umweltbezogenen Angabe enthalten sind, sollten das Ausmaß des erzielten Umweltnutzens wahrheitsgetreu und genau darstellen und den erzielten Umweltnutzen nicht überbewerten.“ Das bedeutet z. B. das Aus für friedlich weidende Kühe auf Milchpackungen, während die Milch tatsächlich aus der Stallhaltung kommt.
7. Was von der neuen Richtlinie zu befürchten ist
Die neue Green Claims Directive legt klare Kriterien für umweltfreundliche Werbeaussagen fest, was zu mehr Transparenz und Verlässlichkeit führen und das Vertrauen der Verbraucher stärken kann. Zudem wird ein Anreiz geschaffen, verstärkt in umweltfreundliche Maßnahmen investieren, um in einem zunehmend umweltbewussten Markt wettbewerbsfähig zu bleiben.
Viele Unternehmen sind dennoch besorgt über die zu erwartenden Auswirkungen, hier nur ein paar der Einschätzungen: Die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller e.V. (AöL) begrüßt in einer Pressemitteilung zwar die Vorschläge gegen Greenwashing im Grundsatz, weist jedoch auf mögliche Risiken hin: „Aktuell ist zu befürchten, dass Aussagen, die im Geltungsbereich der Bio-Verordnung sind, zwar zugelassen, darüberhinausgehende, biobezogene Aussagen durch Verbändelogos oder andere Nicht-staatliche-Siegel jedoch erst umfassend geprüft und staatlich zugelassen werden müssen.“ Die DIHK bewertet: „Durch die Green Claims Richtlinie droht eine Überregulierung. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen werden künftig faktisch nicht mehr mit Green Claims werben können, weil sie sich die Zertifizierung nicht leisten können.“ Auch der zu leistende Bürokratieaufwand, um die Anforderungen der neuen Vorschriften zu erfüllen, wird hoch sein – allein schon die Flut von „grünen Daten“, die Unternehmen zukünftig erheben müssten, wäre für kleinere und mittlere grüne Unternehmen kaum zu bewältigen. Sie könnten dann nicht mehr mit ihrer Nachhaltigkeit werben. Große Unternehmen hingegen wären in der Lage, Green Claims für einige Aussagen zu machen, da sie die Daten erheben und ihre Claims zulassen können. Auch wenn sie ansonsten gar nicht so grün sind.
8. Unsere Einschätzung
Die Intention der Richtlinie ist sicher gut und wichtig. Was genau sie bei ihrer Verabschiedung beinhaltet und wie die EU-Länder sie in nationales Recht überführen, werden wir erst noch sehen. Wir beobachten jedoch mit Bedauern jetzt schon den Trend, dass viele Unternehmen, um keine Imageschäden zu riskieren, zahlreiche teils freiwillige Maßnahmen zur Kompensierung ihrer Emissionen einstellen, wodurch großartige Umweltprojekte nicht mehr unterstützt werden. Natürlich gibt es in diesem Bereich auch jede Menge schwarze Schafe – und die „guten“ Initiativen müssen darunter leiden. Aber was können Unternehmen sinnvollerweise jetzt schon tun, wie können sei sich vorbereiten? So transparent wie möglich zu werden ist sicher der wichtigste Punkt. Firmen können schon jetzt versuchen, ihre Werbeaussagen zu belegen und das auch zu kommunizieren. Sie sollten allgemeine Aussagen wie „wir sind klimaneutral“ meiden und so präzisieren, dass klar wird, welcher Bereich genau klimaneutral ist – und es auch nachweisen können. Grundlage hierfür ist immer auch eine hieb- und stichfeste Nachhaltigkeitsstrategie und -kommunikation.
Noch ist die neue Richtlinie nicht in Kraft getreten – sie muss erst vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union beschlossen werden, wahrscheinlich findet das noch vor der Europawahl im Frühjahr 2024 statt. Wird sie verabschiedet, müssen die EU-Mitgliedsstaaten sie innerhalb von zwei Jahren rechtsgültig umsetzen. Bei uns wird sie wohl in das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) integriert.