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Welche Siegel braucht die Nachhaltigkeit?

Dass Unternehmen heutzutage eine Nachhaltigkeitsstrategie brauchen, um zukunfts- und wettbewerbsfähig zu sein ist unbestritten. Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Kriterium für Entscheidungen: Bei Verbrauchern, welche Produkte sie kaufen, bei Händlern welche Sortimente sie listen, bei Mitarbeitern zu welchem Arbeitgeber sie gehen und nicht zuletzt bei Investoren, wo sie ihr Geld anlegen.

Entscheidend dabei ist es nicht nur nachhaltig zu sein, sondern dies auch glaubwürdig zu kommunizieren. Zertifikaten und Siegeln kommt dabei eine zentrale und zunehmende Bedeutung zu. Sie schaffen Glaubwürdigkeit und stehen für bestimmte Inhalte oder Prozesse im Nachhaltigkeitsbereich. Allerdings gibt es inzwischen eine Flut von Siegeln und Zertifikaten und es wird immer schwieriger den Überblick zu behalten.

Auch die Darstellung ist etwas komplex, weil es unterschiedlichste Ebenen und Bezugspunkte gibt. Das können einzelne Aspekte der Nachhaltigkeit sein oder das gesamte Unternehmen oder sie kombinieren verschiedene Aspekte. Es gibt unterschiedliche Absender wie private Unternehmen, staatliche Institutionen oder Verbände, die bestimmte Themen bearbeiten. Und einige beziehen sich auf einzelne Inhalte oder eben ganze Prozesse und Lieferketten.

Wir möchten deshalb etwas Licht in diesen Siegel-Dschungel bringen und mit dem Versuch einer subjektiven Strukturierung etwas Klarheit schaffen.

 

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1. Biosiegel

Biobauern geht es sowohl in der Grundintention als auch in der praktischen Umsetzung nicht nur um gesündere Lebensmittel, sondern auch um Nachhaltigkeitsaspekte und eine gesunde Erde. Deshalb können auch Biosiegel als Nachhaltigkeitssiegel bezeichnet werden, auch wenn sie nicht alle Aspekte der Nachhaltigkeit beinhalten. Dafür geht es bei den Biosiegeln nicht nur um die landwirtschaftliche Produktion, sondern auch um die Verarbeitung bei den Herstellern, so gesehen decken sie ein Stück weit auch die Lieferkette ab.

Am meisten verbreitet ist inzwischen das sogenannte EU-Biosiegel. Es handelt sich dabei um ein staatliches Siegel auf EU-Ebene. Es beinhaltet den gemeinsamen Nenner, auf den sich die EU-Staaten geeinigt haben und gibt somit den Mindeststandard, was Bio-Anbau anbelangt, vor. Den identischen Standard repräsentiert auch das deutsche Biosiegel, auch Künast-Siegel genannt, das eigentlich durch das EU-Biosiegel abgelöst werden sollte, aber immer noch auf Frontseiten von Packungen zu finden ist, weil es besser Bio kommuniziert als das EU-Siegel, das ein reines Bildzeichen ist. Teilweise werden diese Siegel ergänzt durch Herkunftsnachweise, wie zum Beispiel das Siegel „Bio Baden-Württemberg“, das wir für das Landwirtschaftsministerium entwickeln durften. Auch andere Bundesländer setzen ähnliche Herkunfts- und Biosiegel ein.

Deutlich strengere Anforderungen an Anbau und Verarbeitung verlangen die sog. Verbandssiegel, hinter denen Bio-Anbauverbände stehen. Die bekanntesten Anbauverbände sind Bioland, der größte Verband in Deutschland, Naturland und Demeter, der mit der biodynamischen Landwirtschaft die anspruchsvollsten Anforderungen stellt und international ausgerichtet ist.

2. Klimasiegel

Durch den Klimawandel hat die Dokumentation und Kommunikation der Klimafreundlichkeit extrem an Bedeutung gewonnen. Ein wichtiger Ankerpunkt ist das Pariser Klimaabkommen mit dem Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen und das Bekenntnis zu den 17 SDGs (Sustainable Development Goals). Wobei sich diese nicht nur auf den Klimaschutz beziehen, sondern alle Dimensionen der Nachhaltigkeit beinhalten und den Leitstrahl für die Entwicklung von Nachhaltigkeitszielen und -strategien für viele Unternehmen und Institutionen bilden.

Momentan gibt es noch keine offiziellen und staatlichen Siegel, die Klimafreundlichkeit oder Klimaneutralität zertifizieren. Wer sich also klimaneutral, Net Zero oder Klimapositiv stellt und dies mit einem Siegel kommunizieren möchte, muss sich entweder selbst eines gestalten oder Siegel nutzen, die in der Regel private Unternehmen, wie Nachhaltigkeitsberatungen entwickelt und auf den Markt gebracht haben. Beispiele sind unser „CO2-neutral“-Label, unser „Klimapositiv“-Siegel oder Siegel der Beratungsfirma ClimatePartner.

Dabei sind privatwirtschaftliche oder firmeneigene Siegel dann seriös und glaubwürdig, wenn sie eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen:

  1. Die Emissionen wurden mit einem anerkannten Verfahren ermittelt. International anerkannt zur Bilanzierung von Treibhausemissionen und dem Berichtswesen ist zum Beispiel das GHG-Protocol (Greenhouse Gas Protocol).
  2. Es wurden seriöse Reduktionsziele definiert, idealerweise als Insetting-Projekte innerhalb des Unternehmens oder innerhalb der eigenen Wertschöpfungskette.
  3. Der Ausgleich der verbliebenen Emissionen erfolgt über Kompensationsprojekte, die UN zertifiziert sind und einem Standard wie dem Gold Standard entsprechen.
  4. Das Ganze wird entsprechend transparent gemacht. Insbesondere auch auf die sogenannten Scope 3 Emissionen, also die Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette entstehen.

 

Eine übergreifende Initiative, die sich an dem 1,5 Grad-Ziel der Vereinten Nationen orientiert und wissenschaftliche Kriterien zu Grunde legt, ist die Science Based Targets-Intitiative. Eine Zusammenarbeit zwischen CDP (Carbon Disclosure Project), dem Global Compact der Vereinten Nationen, dem World Resources Institute und dem World Wide Fund for Nature.

Vereinfacht ausgedrückt, geht es darum, dass Unternehmen Reduktionsziele definieren, um ihre Emissionen so weit zu reduzieren, dass das 1,5 Grad-Ziel erreicht werden kann. Dazu wurde im Oktober 2021 der Net Zero-Standard definiert. Dieser Initiative haben sich schon über 1000 Unternehmen angeschlossen.

3. Soziale Siegel

Eine weitere Kategorie von Nachhaltigkeits-Siegeln betreffen die soziale Dimension der Nachhaltigkeit. Dabei geht es meist um faire Partnerschaften und um einen fairen Umgang mit den in der Lieferkette mit arbeitenden Personen. Relevant ist das insbesondere, wenn es um Herkunftsländer geht, bei denen Sozialstandards nicht selbstverständlich sind, wie zum Beispiel der Umgang mit den Bauern in Afrika und Lateinamerika.

Das bekannteste Siegel ist in Deutschland das fairtrade Siegel. Auch hier gibt es private Unternehmens-Siegel, wie zum Beispiel das „Hand-in-Hand-Label“ der Firma Rapunzel. Während sich diese beiden Siegel auf den Lebensmittelbereich fokussieren, gibt es für andere Branchen ebenfalls Siegel, die sich mit sozialen Komponenten beschäftigen, wie zum Beispiel das 2019 eingeführte staatliche Siegel „grüner Knopf“ für die Textilwirtschaft.

Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Initiativen, die aber meist mehr den Charakter eines Bekenntnisses und einer Selbstverpflichtung haben als den einer überprüfbaren Zertifizierung. Ein Beispiel ist die Charta der Vielfalt. Das ist ein Verein unter der Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers. Wer die Charta unterzeichnet verspricht, sich für ein tolerantes Arbeitsumfeld ohne Vorurteile einzusetzen.

4. Zertifizierung von Management-Systemen

Anerkannte Nachweise für gelebtes Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement sind Zertifizierungen von Methoden und Managementsystemen. Systeme werden für strukturierte Prozesse und Methoden geschaffen, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Sie helfen den Unternehmen Informationen zu ihren Nachhaltigkeitsleistungen zu bekommen, können aber sehr ressourcenintensiv sein und sind damit eher für produzierende größere Unternehmen geeignet.

Beispiele hierfür sind seit 1996 ist die ISO 14001 eine weltweit anerkannte Grundlage für Umweltmanagementsysteme. Sie umfasst alle Aspekte und definiert Aufbau, Verwirklichung, Aufrechterhaltung und fortlaufende Verbesserung eines Umweltmanagementsystems – für eine stetige Verbesserung der Umweltleistung.
EMAS, das Eco Management and Audit Scheme ist ein System der EU und baut auf der Isonorm auf. Es müssen zusätzlich Umweltindikatoren erfasst, in einem Bericht veröffentlicht und im Rahmen einer Betriebsprüfung überprüft werden. Erst dann darf das Emas-Logo als Siegel geführt werden.

 

5. Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung

Wieder eine andere Ebene bilden die Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sie sind Methoden, die die Themen vorgeben, die in einer Nachhaltigkeitsberichterstattung behandelt werden müssen und machen die Berichte in gewisser Weise vergleichbar.
Sie dienen auch dazu, die Berichtspflicht gesetzeskonform zu erfüllen. Das wird mit der Ausweitung der Berichtspflicht zum Berichtsjahr 2023 und in einer zweiten Stufe 2026 an Bedeutung gewinnen.

Anerkannte und relevante Standards sind der DNK und der GRI SRS. Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) wurde vom Rat für nachhaltige Entwicklung ins Leben gerufen. Branchenübergreifend unterstützt der Standard den Aufbau einer Nachhaltigkeitsstrategie und bietet einen Einstieg in die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Der Sustainability Reporting Standard der Global Reporting Initiative (GRI SRS) ist der umfassende Standard und legt Indikatoren fest, wie Unternehmen und Organisationen ihre nachhaltigen Leistungen messen können. Er ist international ausgerichtet und wird oft von international agierenden Konzernen angewendet.

Als Folge der Ausweitung der Berichtspflicht ist momentan auch die Europäische Union dabei, einen eigenen Berichtsstandard vorzubereiten. Dieser sollte im zweiten Halbjahr 2022 vollständig publiziert werden.

Zu diesem Themenbereich kann man auch den Global Compact zählen, einem Pakt der Vereinten Nationen, dem Organisationen beitreten und sich damit bereit erklären, soziale und ökologische Prinzipien einzuhalten. Jährlich sollen die Mitglieder von ihren Verbesserungen berichten. Die Teilnahme am Pakt wird eher als gute Willensbekundung angesehen, denn als transparente Berichterstattung.

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6. Übergreifende Bewertungssysteme

Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe übergreifender Bewertungssysteme, die versuchen mehrere Aspekte und Ebenen zu verbinden, wie zum Beispiel das Nachhaltigkeitsmanagement, Transparenz, Lieferkette, Nachhaltigkeitsleistung usw.. International ausgerichtet ist zum Beispiel die BCorb-Zertifizierung, bei der inzwischen schon über 4000 Unternehmen zertifiziert wurden. Nach einer externen Prüfung werden die soziale, ökologische und ökonomische Gesamtleistung von Unternehmen betrachtet und dabei besonders auf Verantwortung und öffentliche Transparenz gesetzt.
Die Gemeinwohl-Ökonomie hat zum Ziel ein ethisches Wirtschaftsmodell zu etablieren. Das Bewertungsmodell besteht aus 20 Hauptindikatoren, an denen die individuelle Nachhaltigkeitsleistung bewertet wird. Das Ergebnis mündet in einer Gemeinwohlbilanz und einer finalen Punktzahl, die den Vergleich mit anderen Unternehmen möglich macht.
Ebenfalls einen Vergleich ermöglicht das Eco-Vadis-Rating, das mithilfe von standardisierten Fragebögen die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen vergleichbar macht. Insgesamt haben schon mehr als 75.000 Unternehmen teilgenommen.
Ebenfalls zum Ziel einen ganzheitlichen Standard zu schaffen, hat sich das relativ neue We Care-Siegel gesetzt. Es betrachtet das Unternehmen, die Produkte und die Lieferkette.

7. Fazit

Welche Nachhaltigkeits-Siegel und Zertifikate soll man nun nutzen?

Zumal die Genannten nur einen kleinen Ausschnitt darstellen – und die Verwendung der Nachhaltigkeits-Siegel oft mit sehr viel Aufwand und Kosten verbunden ist und längerfristige Auswirkungen hat. Deshalb ist es wichtig einen fundierten Strategieprozess zu beginnen und sich mit der Frage der Zielsetzung, der individuellen Rahmenbedingungen und der daraus folgenden sinnvollen Strategie, sowohl für die Nachhaltigkeit als auch für das Unternehmen und die Marke zu beschäftigen. Dann klärt sich in der Regel auch die Frage, welche Zertifizierungen und Siegel sinnvoll und erfolgversprechend eingesetzt werden können.


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