Ihre Milch genießen wir fein aufgeschäumt im Cappuccino, ihr Fleisch medium rare oder kross vom Grill. Über ihren Ausstoß von klimaschädlichem Methan regen wir uns auf. Das ist vor allem eins: stinkende Doppelmoral.
Was viele wissen: Die Kuh ist ein Wiederkäuer mit vier Mägen, die beim Verdauen Methan ausstößt. Dieses gehört neben CO2, Lachgas und FCKW zu den klimaschädlichsten Treibhausgasen. Ja, die Kuh pupst und rülpst. Und viele Kühe pupsen und rülpsen eben viel. Zum Vergleich: Ein Mensch stößt circa 600 Milliliter Methan am Tag aus. Eine Kuh im Schnitt circa 200-300 Liter täglich. Eine ordentliche Portion fürs Klima. Was viele nicht wissen: Ein Klimakiller ist die Kuh nur dann, wenn ihre Haltung und die dafür genutzte Fläche nicht im gesunden Verhältnis stehen. Sind genau so viele Kühe auf der Weide wie der Boden Nährstoffe braucht, ist die Kuh ein kostbares Nutztier – und gut fürs Klima.
Es gibt sie, die klimafreundliche Viehwirtschaft
Hinter der biologisch-dynamischen Landwirtschaft wirkt das Prinzip der Kreislaufwirtschaft. Ihr Ideal: Landwirte halten nur so viele Kühe wie sie mit ihrem Stück Land ernähren können. Die Kühe werden mit selbst angebautem Futter gefüttert. Ihr Mist sorgt für eine Rückführung der Nährstoffe in die Äcker, auf denen sowohl Lebensmittel als auch neues Futter für die Tiere angebaut werden. So entsteht ein natürlicher Kreislauf, in dem jedes Organ das andere braucht: Mensch, Tier und Natur agieren zusammen.
Auf diese Weise tragen die Kühe sogar zum Erhalt vom Ökosystem Weide bei: Mit ihrem Mist liefern sie wertvollen Dünger für die Felder – der natürlichste Weg dem Boden Nährstoffe zurückzuführen. Dank der Kuh können Öko-Bauern auf chemische Pestizide verzichten. Auch die Bodenqualität ist dadurch besser: Biologisch gedüngt und gut durchlüftet ist der Bio-Boden reich an wertvollen Mikroorganismen, auch Humus genannt, und bindet viel mehr Kohlenstoffdioxid als konventionell bewirtschafteter Boden. Das macht Humus zu einem der wichtigsten CO2-Speicher der Erde. Die weidende Kuh sorgt langfristig also für den Abbau von CO2. Von wegen Klimakiller.
Demeter-Landwirte wissen ihre Tiere zu schätzen
Der deutsche Bio-Anbauverband Demeter hat strenge Vorgaben bei der Viehhaltung. Unter anderem gilt das Verbot die Kühe zu enthornen und das Futter muss mindestens zu 60% vom eigenen Hof stammen. Auch die Schrozberger Milchbauern, eine Genossenschaft aus Milchbauern, die Demeter-Milch nach diesen strengen Richtlinien erzeugen, wollen das Image der Kuh poliert sehen. Denn sie wissen aus eigener Erfahrung: Das Klimaproblem ist menschengemacht. Die Schrozberger füttern ihre Kühe ausschließlich mit selbst angebautem Futter wie Gras und Getreide. Der Vorteil: Das Futter kommt der natürlichen Nahrung der Kuh am nächsten und lässt sich gut verdauen. Es enthält von Natur aus weniger Eiweiß als das konventionelle Kraftfutter, das in der Massentierhaltung verfüttert wird. Das wiederum wird zur Steigerung des Milchertrags eingesetzt. Die Rinder sollen dauerhaft Höchstleistungen erbringen. Dieses Mehr an Eiweiß, führt auch zum erhöhten Methanausstoß. So kommt die Kuh auch zu ihrem Klimakiller-Image.
Das Problem geht noch viel weiter: Die Flächen zum Anbau von Kraftfutter für Massentierhaltung reichen in Deutschland schon lange nicht mehr aus. Darum wird es in Monokulturen produziert und aus der ganzen Welt nach Deutschland eingeschifft. Da fragt man sich schon, wer hier das Rindvieh ist.
Die Wende im Klimawandel
Schon jetzt lehnen immer mehr Menschen aus mindestens einem dieser Gründe Produkte aus Massentierhaltung ab, wollen der Natur wieder näherkommen und dem Klimawandel entgegenwirken. Aber es braucht den Einsatz von noch mehr Menschen und erfordert weitreichende Veränderungen. Die Politik muss handeln und zwar global. Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, den Ausstoß von Treibhausgasen aus der Landwirtschaft bis 2050 um ein Drittel zu reduzieren. Wichtig dabei ist aber auch, dass Landwirte Anschubhilfen bekommen – zum Beispiel für die Umstellung auf Bio-Anbau.
Auch wir als Verbraucher können Landwirte aktiv bei mehr Nachhaltigkeit unterstützen: Durch ein Umdenken und das Ändern unserer Konsumgewohnheiten. Wir müssen zum einen unsere hohen Milch- und Fleischkonsum reduzieren und zum anderen bereit sein, mehr zu bezahlen für klimafreundlicher produzierte Lebensmittel in guter Bio- und Demeterqualität.
Das untermauert auch der aktuelle Skandal um Tönnies, das Schlachtgroßunternehmen das seit Jahren in der Kritik steht. Den Preis, den wir langfristig für unökologische, unsoziale und unethische Massentierhaltung bezahlen ist auf Dauer wesentlich höher. Wasser, Boden, Klima und auch Kuh werden uns unseren Egoismus hoffentlich nochmal verzeihen.